Das Motion Design der UEFA EURO 2024
Eine (nicht sehr) kurze Analyse
Das On-Air Motion Design für ein weltweites Medienereignis wie die Fußball Europameisterschaft zu gestalten gehört sicher zu den kühnsten Träumen einer jeden Person, die sich Motion Designer*in nennt. Das eigene Konzept und Design einem derart großen und diversen Publikum zu präsentieren birgt nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch einige Hürden. Die größte: Wie kann das Motion Design es schaffen, Informationen zu vermitteln und gleichzeitig eine Geschichte erzählen – und alles, ohne extrem zu polarisieren oder belanglos zu wirken?
Für die EURO 2024 haben wir das anhand zweier Spiele genauer aufgedröselt – uns die einzelnen Motion Design Elemente, ihre Funktion und ihre Ästhetik angeschaut und auch die zugrunde liegende Brand Identity und die damit verbundenen Gestaltungsprinzipien.
Disclaimer:
Alle Screencasts sind den offiziellen Streams des ZDF und der ARD entnommen.
Alle Medien zum Gestaltungsprinzip entstammen der behance Kanäle von VML Branding und illo. Alle Quellen sind unten aufgeführt bzw. verlinkt.
Wie schon bei der letzten Europameisterschaft zeichnet die portugiesische Agentur VML Branding aus Lissabon für das Erscheinungsbild der EURO 2024 verantwortlich. Die Expert*innen für Sport Branding haven auch schon für weitere UEFA und FIFA Projekte Brand Identities entworfen.
Dem sehr ausführlichen Behance-Post zur EURO 2024 kann man die Geschichte und das Konzept knapp entnehmen. Dabei steht Inklusion und Diversität an allererster Stelle. So sind die Farben und ihre Anordnungen neben dem Pokal im Logo kein Zufall, sondern repräsentieren die verschiedenen Farben alles europäischen Flaggen und ihre Häufigkeit in einer cleveren Anordnung, die jede Flagge einmal präsentiert – begonnen mit der deutschen Flagge als Gastgebernation.
Auch in den Illustrationen ist die Konzentration auf Vielfalt sehr gut erkennbar.
Menschen verschienen Alters, Geschlechts, unterschiedlicher Hautfarben, mit und ohne körperliche Beeinträchtigungen feiern gemeinsam ausgelassen das Ereignis EURO 2024.
Das Animationsprinzip ist gleichsam naheliegend wie zielführend – die farbigen Streifen im Logo werden in den Storytelling-lastigen Momenten (lies: da, wo Zeit genug vorhanden ist) der Länge nach aufanimiert und führen so das Auge oder auch durch eine ganze Szene.
Dort, wo schnell eine Information vermittelt werden soll, werden sie als Transition-Element eingesetzt, sozusagen als Salz in der Suppe. Das kann man als Dekoration verurteilen, aber auch als konsequent loben.
Die erste öffentliche Demonstration des Designs spiegelt auch direkt eine Ausnahme wieder – denn hier wird das Design schon einmal weiterentwickelt – und zwar von einer anderen Agentur.
Das renommmierte Animationsstudio illo aus Italien durfte das Backgroundvideo zur offiziellen Auslosung der Gruppenzusammensetzungen für die EURO 2024 kreieren. Dabei haben sie die bunten Streifen aus dem Logo noch auf viele andere Arten in Bewegung gesetzt und desweiteren auch noch Muster eingesetzt, die im On Air Design (bisher) gar keine Rolle gespielt haben.
Noch bevor das Spiel gestartet ist, konnte das Motion Design einmal richtig performen. In Form einer komplexen Character-Animation wird im Intro und Countdown Inklusion und Diversität sehr stark bestont. Dabei wird das Thema Flaggen immer wieder benutzt um Übergänge zu schaffen, Landschaften zu bauen und Farbigkeit in den Szenen zu erzeugen. Das Design der Character wirkt relativ generisch, aber freundlich und nahbar – die Integration von Menschen mit Beeinträchtigung fällt uns am meisten und sehr positiv auf, vor allem, weil sie zwar prominent, aber nicht aufdringlich passiert.
Aufstellung
Die erste Infografik des Spiels kommt insgesamt sehr aufgeräumt und unaufgeregt daher – benutzt wird eigentlich nur die EURO 2024 Schrift auf blauem Grund. Interessant ist aber der Auf- und Abbau der Grafik – hier wird mit den schon benutzten Streifen aus den Flaggen gearbeitet, aber in Kreisform.
Negativ fällt uns die Qualität der freigestellten Spielervideos aus – durchaus schön, dass hier keine heroischen Posen eingenommen werden, aber eine qualititativ bessere Beleuchtung oder sogar ein kreativerer Ansatz (Illustration, wie im Intro?) wäre bei einem Ereignis dieser Größe schon wünschenswert gewesen.
Transition
Immer, wenn zu einer Wiederholung geschnitten wird, also die Echtzeit-Berichterstattung verlassen wird, wird das durch eine Transition-Animation begleitet, zu Beginn und Ende der Wiederholung. Dafür wird das Logo in Szene gesetzt – ein Moment, in dem der Effekt im Vordergrund steht und keine Information vermittelt werden soll. Sehr sportlich, beinahe amerikanisch – aber sehr “on brand”.
Die Infoboxen bei diesem Spiel arbeiten – wie alle Grafiken – mit verschiedenen Blautönen als Hintergrund. Etwas kontraintuitiv scheint der Fakt, dass ausschließlich mit dem Blau gearbeitet wird, auch bei anderen Spielen. Angelehnt an die Buntheit des gesamten Konzept wäre es reizvoll gewesen, hier im Laufe der Spiele verschiedene Farbkombinationen zu präsentieren.
Die Animation der Infobox ist einer Infografik angemessen, die sich ihrer „Support“-Rolle bewusst ist – erwartbar und einfach, aber handwerklich gut gemacht. Ein angenehmes Easing und eine gute Geschwindigkeit aller einzelnen Elemente. Sehr nett ist die Auf und Ab-Animation, die auch die farbigen Streifen nutzt, aber in ihrer reduziertesten Form, quasi als Vorbote der sich aufbauenden Form.
Ähnlich funktionieren auch die Lower Thirds, die Spieler und Trainer vorstellen. Der Spielstand wird im Verlauf nur sehr selten aus- oder eingeblendet, aber auch hier wir die fächerige Farbanimation verwendet.
Sehr nerdiger Fakt: Insgesamt kann man ein Grid vermuten, dass sich lose am Title-Safe Bereich orientiert.
Die lange Variante der Logoanimation haben wir schon am Anfang des Intros einmal gesehen. Sie arbeitet sehr schön mit der Verbindung von 3D und 2D-Animation, in dem zuerst ein fiktives Stadion aus den bekannten bunten Streifen entsteht und dann von oben gesehen zum zweidimensionalen EURO 2024 Logo wird. Die Typo wird sehr zurückhaltend und passend auf animiert. Insgesamt wirkt alles wenig kompetetiv, sondern sehr freundlich, fluffig und fair.
In Zwischensequenzen des Spiels wird auch eine kurze Variante der Logoanimation benutzt, die ganz anders funktioniert – hier werden die Streifen im Raum benutzt, die das Logo freigeben. Wirkt im Gegensatz zur längeren Variante dynamischer und kämpferischer, aber auch generischer und weniger clever.
Das Motion Design der EURO 2024 vereint statt zu polarisieren. Es bietet keine großen Überraschungen aber wirklich gutes Animationshandwerk.
Unserer Meinung nach passt das sehr gut zum Anlass und Event – obwohl es ein Wettkampf ist, steht hier das Zusammenspiel im Vordergrund. Die Balance zwischen Information und Emotion kippt ganz klar in Richtung Information. Den Zuschauer*innen sind das Spiel und die damit verbundenen Daten wichtiger als ein allzu opulentes Design.
Trotz dessen ist noch einiges an Motion Design in den finalen Assets gelandet. Einzig die Farbigkeit der Interfaces hätte durchaus noch etwas mutiger ausfallen können. Was uns sehr gefällt ist der selbstverständliche Umgang mit Diversität in den Illustrationen, der an ein zeitgemäßes Kinderbuch erinnert und gute Impulse setzt.
• https://www.vml.com/work/uefa-euro-2024
• https://www.behance.net/gallery/161597101/UEFA-EURO-2024
• https://www.behance.net/gallery/186095591/UEFA-Euro-2024-Stage-video
• https://www.zdf.de/sport/fussball-em/2024-gruppe-a-deutschland-schottland-livestream-100.html
• https://www.ardmediathek.de/video/sportschau-uefa-euro-2024/schweiz-gegen-deutschland-re-live/das-erste/Y3JpZDovL3Nwb3J0c2NoYXUuZGUvZTkxNDNiOTctMjg0My00YTBkLWIyMDktY2ZmMDFmZWRlYzEy